Der hl. Thomas von Aquin gehört zu den herausragenden Gestalten der abendländischen Geistesgeschichte, vor allem aufgrund seiner Entwicklung eines christlichen Konzeptes des Naturrechts. Der hl. Thomas entwickelte in seinem Konzept antike Gedanken auf eine Weise weiter, die bis in die Gegenwart nachwirkt.
Für unsere Leser dürften die folgenden, im 13. Jahrhundert formulierten Gedanken über die Rolle von Familie, Abstammung und Nation im Naturrecht aus seinem Hauptwerk “Summa Theologiae” besonders relevant sein:
Also nach Gott ist der Mensch am meisten Schuldner den Eltern und dem Vaterlande. Wie somit es zur Gottesverehrung gehört, an erster Stelle Gott einen Kult darzubringen; so geht es die Hingebung oder Pietät an, an zweiter Stelle die Eltern und das Vaterland zu ehren. In der den Eltern erwiesenen Ehre ist nun eingeschlossen die den Blutsverwandten gegenüber; denn blutsverwandt sind eben Personen deshalb, weil sie von den nämlichen Eltern abstammen. Und in der dem Vaterlande erwiesenen Hingebung ist eingeschlossen die allen Mitbürgern gegenüber und allen Freunden des Vaterlandes.
Der hl. Thomas verbindet in diesen Worten ältere jüdisch-christliche Naturrechtsvorstellungen, wie sie etwa in den Zehn Geboten zum Ausdruck kommen (insbesondere im vierten Gebot, welches das Abstammungsprinzip behandelt), mit rationaler Betrachtung der Welt und der Natur des Menschen, um eine Antwort auf die Frage nach einer guten Ordnung der Welt zu finden.
Da sich die Natur des Menschen in den vergangenen Jahrtausenden nicht verändert hat, sind auch die alten Antworten unverändert gültig, während die Antworten der Moderne, welche die Natur des Menschen leugnen, sich in der praktischen Prüfung zunehmend als unhaltbare Utopien herausstellen.
Gut gemeint, aber selektiv, wenn problemlos tausende (!) Gegenbeispiele aus Gegenwart zitiert weren könnten, die Gegenteiliges von christlichen “Größen”, Gemeinschaften und Institutionen verlauten lassen. Oder kurzum: für jeden querdenkenden Pfarrer in Deutschland oder eine historische Größe, die in ein kulturzentriertes Konzept passt, finden sich 20, die z.B. der Meinung sind, Flüchtlinge sind von Gott gewollt, oder neuerdings auch, dass der Sex mit Tieren auch ganz okay ist. Sie schaffen es nicht, etwas für den eigen Zweck so zu interpretieren, was sich wie ein Kaugummi in beliebige Richtung ziehen lässt, besonders nicht in der Gegenwart. Auch diesen Kritikpunkt kennen Sie bereits.
Bei Ihrer Gegenargumentation müssen Sie zwangsläufig auf Islamverteidigungsstrategie 101 zurückfallen: “… aber das sind keine richtigen Christen. Nur nationalzentriertes Christentum ist gut!”. Das ist die Last von logikfernen Argumentationen, die sich bis auf historische Akzente auf keinerlei belegbare Argumentationsstrategie stützen können. Der scheinbar schlaue Rabulist mag daraufhin ausweichen und behaupten, dass “… man ja trotzdem ein ideologisches Gerüst brauche, auf dessen Schienen die hiesige Kultur bereits gefahren ist”, womit man wieder am Anfangspunkt wäre und sich die Frage stellt, weshalb man sich ein Kaugimmi ob der 1000 anderen, präziseren, interpretationsresistenten Akzente aussucht.
Sie können noch so oft für meine Toastbrot-Beispiele geiseln, aber Sie versuchen sich hier teilweise über die “Menschliche Natur” zu erheben, auf die Sie sich teils selbst beziehen. Sie setzen hier auf ein fragiles Kartenhaus als ihren Hauptvorteil, nämlich nationalistische und kulturzentierte Inhalte im Deckmantel des Christentums außer Reichweite der juristischen Krake schweben zu lassen.
Machen wir es ganz einfach so: erklären Sie mir bitte, wie Sie einem Menschen, dessen IQ über Fressen-Ficken-Fussball hinausgeht überzeugen, sich auch nur einen Millimeter einem christlich angehauchten Vorhaben zu zu wenden, der gerade noch im Fernsehn den Papst verkünden gesehen/geghört hat, wie toll Deutschland doch ist, weil es sich selbst mit Flüchtlingen flutet bis die Hösschen fliegen – ohne dabei auf Strategie 101 zurückzugreifen.
Sie können es nicht. Bis auf wenige Ausnahmen, wird Ihre Arche demnach mit enttäuschen CDU-Wählern belegt, die es nicht mehr so knorke finden, dass Ahmet nun im eigenen Vorgarten tobt, und man nicht mehr seinem Alltag gewohnt nachgehen kann. Damit hätten sie zwar eine ideologisch wunderbar versiegelte Kapsel der kulturellen Kontinuität*, aber praktisch eine Neuaflage der Titanic, auf der jeder zwecks Erfahrungswert direkt Tische neben den Rettungsbooten bucht, um im Notfall auf die AIDA überzuschiffen.
*Menschen, denen alles am Arsch vorbeigeht, solange das persönliche Glück stimmt. Und wenn es mal kracht, dann wird kurz konvertiert, um den eigenen Hintern zu retten. Wenn alles wieder im Lot ist, gehts mit Plan YOLO weiter.
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@G. Wheat
Es geht hier nicht darum, einige christliche Äußerungen, Symbole etc. aus dem Kontext zu reissen, um damit ein politisches Anliegen zu tarnen, das eigentlich etwas ganz anderes will. Die großen Kirchen in Deutschland unterliegen leider ebenso Verfallsprozessen wie die meisten anderen Institutionen, die alle schon einmal bessere Zeiten erlebt haben. Man müsste ja auch die Nation für verloren erklären, wenn man sie ausschließlich an ihren lautesten und sichtbarsten gegenwärtigen Repräsentanten messen würde. So wie man die Idee der Nation aber am besten und stärksten messen sollte, was dazu gedacht oder bewirkt wurde, sollte man es auch mit anderen Institutionen oder Ideen halten.
Ich war angesichts weitestgehender Abwendung vom Christentum, das ich mit seinen öffentlich-rechtlichen Vertretern vor allem im protestantischen Bereich gleichgesetzt hatte, bei näherer und ursprünglich rein instrumentell ausgelegter Auseinandersetzung vor allem überrascht hier auf geistige und andere Ressourcen zu stoßen, die ich dort nicht vermutet hätte. In den mehr als 1500 Jahren, in denen das Christentum Europa getragen und geformt hat, entstanden dort in der Praxis bewährte, sehr belastbare Entwürfe der Auseinandersetzung mit und der Abwehr aller möglichen Verfallserscheinungen und Herausforderungen, an die nichts heranreicht, was gegenwärtig sonst noch an ähnlichen Versuchen existiert.
Auch wenn das alles etwas gelitten hat (was wie erwähnt für alle noch lebendigen Reste deutscher und europäischer Tradition gilt), so ist hier doch noch alles an Ressourcen vorhanden was es braucht, um die gegenwärtige Lage zu beschreiben, zu verstehen und zu bewältigen. Das alles zu erklären braucht etwas Raum, aber das soll hier noch geschehen, bevor es weitergeht.
Um beim aktuellen Beitrag zu bleiben: Thomas von Aquin ist nicht eine unter vielen Stimmen die etwas Gegenteiliges sagen, sondern der einflussreichste und wichtigste Denker im katholischen Bereich zum Thema Naturrecht. Den Menschen gesellschaftlich im Rahmen seiner natürlichen Bindungen zu betrachten und diese Bindungen als gut zu bewerten, ist weiterhin harter Kern katholischer Weltanschauung. In Lehrbüchern über katholische Moraltheologie wird Patriotismus als Untertugend der Kardinaltugend der Gerechtigkeit beschrieben und bejaht.
Von anderen Strömungen oder Ansichten im Christentum muss man sich da gar nicht distanzieren oder ihnen absprechen christlich zu sein. Es reicht völlig aus, sich einfach auf die enormen Traditionsbestände zu stützen, die Christentum nicht als Aufruf zum kollektiven Selbstmord verstanden haben. Man muss dafür auch kein neues Christentum oder etwas schaffen, was sich in seine Sprache und Symbole kleidet, aber im Kern etwas anderes ist.
Es geht auch nicht darum, dass Christentum zum Mittel zum Zweck zu machen und seinen Wert darin zu sehen, dass es das Überleben einer Kultur oder einer Nation unterstützen kann. Zu meinen beeindruckendsten Erfahrungen gehört die Begegnung mit Menschen, die dazu als Christen sehr aktiv beitragen, aber die nicht deshalb Christen sind, weil es ihren eigenen politischen Zielen dient, sondern statt dessen in sich selbst eine Glaubensberufung gefunden haben zu dienen. Auch dass soll noch näher erklärt werden.
Die praktischen Probleme, die Sie erwähnen, sehe ich auch, aber sie sind kaum größer als die Probleme, die jedes andere Vorhaben hätte, wenn auch z.T. aus anderen Gründen. Auch hierfür gibt es bereits Lösungsansätze, die noch vorgestellt werden sollen, und die sich im Rahmen des Traditionsbestands, auf den wir nun zurückgreifen dürfen, bereits vielfach bewährt haben.
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Danke für den Hinweis auf Thomas von Aquin und die Textpassage aus der Summa Theologiae. Sie ist sehr gut. Sehr gut, weil sie in unser Konzept passt, die wir danach trachten, mit unserem Volk und unserem Gott zu überleben.
Mag die Textstelle auch noch so selektiv sein, mag es Tausende von Gegeninterpretationen geben – sie passt in unser Schema, in unseren Plan. Darauf BAUEN WIR AUF. Darauf und auf vielen anderen Sachen, die uns dienen und die wir nutzbar machen können. Wir sind uns nicht zu schade, jeden Halm zu ergreifen, der uns Rettung verspricht.
Und so gesehen gibt es tatsächlich nur noch zwei Kategorien von Menschen: Die einen, die überleben wollen, und die anderen, die schon längst des Todes sind.
https://www.youtube.com/watch?v=nhA-17d3Dfg (min 6:18)
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@Aristoteles
Ich kann nur bekräftigen, dass hier nichts selektiv ausgewählt wurde. Demnächst kommt z.B. ein Beitrag, der sich mit den Aussagen eines maßgeblichen Lehrbuchs zur katholischen Moraltheologie über die “sittlichen Aufgaben des Staates” befasst.Im Sinne des Naturrechts sind dies vor allem der Schutz des Staatsvolkes gegen äußere und innere Bedrohungen sowie der Schutzes des Gemeinwohls des Staatsvolkes.
Das wird jedoch nicht aus der Annahme eines nationalen Gottes gefolgert, sondern aus der Beobachtung des Menschen und der Ordnung der Natur sowie einigen christlichen Annahmen über die Aufgaben des Menschen. Der Gedanke des Naturrechts setzt sogar notwendig vorraus, dass es eine universelle Ordnung und somit nur einen Gott gibt.
Gleichzeitig steht diese Annahme dabei nicht im Widerspruch zur Bejahung der Existenz von Völkern, wie es die Kritik am christlichen “Universalismus” z.T. vermutet, ganz im Gegenteil. Die Naturrechtslehre betrachtet die Völker so wie andere Elemente der von ihr beobachteten Ordnung (etwa die Verschiedenheit der Geschlechter) als nicht zu leugnende Größen.
Der Eindruck des selektiven Zitierens mag entstehen, weil leider offenbar weite Teile der Kirchen sich von ihren eigenen Lehren und Traditionen weithin gelöst haben, aber selektiv zitiert in dem Zusammenhang nur der Kirchenvertreter, der behauptet, dass z,B. das Geschlecht des Menschen flexibel oder seine Abstammung für das Zusammenleben von Menschen und die Ordnung von Staaten irrelevant sei.
Es gibt auch durchaus relevante Strömungen in den Kirchen die sich von diesen Lehren nicht abgewandt und konträre moderne Vorstellungen übernommen haben. Man nimmt sie vielleicht nur weniger wahr, weil sie weniger nach Außen in Erschneiung treten als die anderen.
Man könnte das alles für ein nachrangiges Thema halten und sagen, dass man ja nicht die Zustimmung der Moraltheologie braucht um sich für die genannten Ziele einzusetzen. Wenn es um die praktische Umsetzung von Ansätzen dazu geht, sind solche Bezüge aus verschiedenen Gründen aber sogar äußerst wichtig. Es macht für alles weitere einen sehr großen Unterschied, ob man sich auf ein erprobtes, belastbares und vollständiges geistiges Konzept stützen kann oder nicht.
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Das glaube ich Ihnen gern. Ich glaube auch, dass solche christlichen Naturrechtslehren, wie Sie sie erwähnen, entstehen konnten, weil die entsprechenden Lehrer einen natürlichen Instinkt für ein kosmisches und eben nicht chaotisches Universum besaßen.
Ich habe auch nichts gegen den EINEN Gott, der dem Universum seine Ordnung gibt. Ich sehe das Göttliche überall und für mich ist auch das Mütterliche etwas Göttliches, etwas von dem einen Gott Geschaffenes. Warum sollte ich nicht auch das Mütterliche separat als etwas Göttliches ehren?
Ich bete auch ebenso zum Vater wie zum Sohn.
Ein Nationalgott ist zugleich auch Universalgott bzw. ein Universalgott ist auch Nationalgott. Ich sehe darin keinen Widerspruch. Der Horizont eines heidnischen Germanen ging beispielsweise bis zum Ende seines Hofes, seines Gebietes, seines Midgards. Er ahnte, dass jenseits dieses ‘Gartens’ noch etwas anderes ist, aber der Bereich seines Gartens war sein Universum, sein gottgegebener Kosmos.
Im Post-Fischezeitalter bzw. in der Übergangszeit (, die ich, wie gesagt, keineswegs losgelöst vom Christentum sehe) sollten wir so weit sein, dass uns die Beurteilung der Welt allein nach den Maßstäben Midgards zwar nicht genügt (in der universalen Regenbogensprache: wir Menschen sind tatsächlich alle Menschen), dass wir aber unseren Mittelgarten dennoch als natürliches, gemeinschaftliches Zentrum unserer Familie, Sippe, Völkerschaft betrachten, die unser Fundament für die Positionierung in der Welt ist.
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@Aristoteles
Für die Leser des alten Projekt Ernstfalls wird demnächst einmal eine Erklärung erforderlich sein, warum hier momentan mehr über Philosophie und Theologie als über Krisenvorbereitung gesprochen wird.
Sie deuten in Ihrem Kommentar aber an, warum dieser Aspekt so wichtig ist. Es geht auch um die metaphysische Begründung und Verortung des Eigenen im Kosmos und um die Beantwortung der Frage, warum es uns gibt und warum das Ziel, dass es uns weiterhin geben soll, gut und richtig ist.
Die Tatmenschen unter den Lesern neigen möglicherweise dazu, diese Frage zu verachten, weil sie dafür keine weitere Begründung brauchen und schon die Frage als solche für einen Ausdruck von Schwäche halten. Bei der Frage nach der praktischen Umsetzung der hier in den vergangenen Jahren behandelten Themen stellten sich diese Fragen aber schliesslich doch auf eine Weise, welche eine Ausblendung dieser Frage nicht mehr zuliess. Die Auseinandersetzung mit krisenfesten Organisationen ergab nämlich, dass ausnahmslos alle Organisationen und Strukturen scheiterten, die diese Frage nicht behandelten. Wo sie ausgeblendet wurde, lösten sich die betreffenden Strukturen meist an dem Punkt auf, an dem es für die Mitglieder die rationalere Option war, aufgrund des wachsenden äußeren Drucks und der daraus entstehenden Nachteile nicht länger an ihnen festzuhalten.
Und um noch einmal auf theologische Fragen zurückzukommen: Wenn es um das Thema der Mutter im religiösen Bereich angeht, gibt es in den Religionen der Gegenwart eigentlich nur eine einzige, in der dies eine Rolle spielt.
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Hier Isis und Horus, das wahrscheinliche Vorbild der Madonna mit Kind:
Hier die germanische Mutter Frigg, die den Tod Baldurs beklagt:
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Ohne Gott, ohne Glaube an Gott, ohne Kult um eine Verbindung zwischen Oben und Unten, um Kreuz und/oder Ygdrasill werden wir komplett untergehen und auch nicht wieder auferstehen.
Wer bei allem, was geschehen ist und um uns herum geschieht, nicht sieht, dass wir wieder von Grund auf anfangen müssen, und zwar geistig, kann ja weiter im Keller Überlebenskekse horten. Das ist vielleicht auch nicht verkehrt, reicht aber nicht.
Wir brauchen ganz neue Priester, Liturgien, Zeremonien, eine Profession und eine Predigt, die zwischen Erde und Himmel über Familie und Volk wieder eine ewige Linie bildet.
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@Aristoteles
Zu den Horus/Isis-Darstellungen: Die materialistische Perspektive sieht im universellen oder zumindest über Kulturen und Epochen immer wieder auch unabhängig zu beobachteten Aufkommen bestimmter Symbole einen Beleg dafür, dass es sich um soziale Konstrukte handele. Entsprechend werden auch die Ähnlichkeiten zwischen Madonnen-Darstellungen und z.B. Horus/Isis-Darstellungen gedeutet.
Andererseits ist es doch auffällig, wie verwandt manche religiöse Konzepte sind, die sich sogar in Epochen und Kulturen parallel wiederfinden, die keinen Kontakt zueinander hatten. Das Vorhandensein solcher Urbilder ist empirisch sehr gut belegt, und wo kein erkennbarer Fortpflanzungsvorteil mit ihnen verbunden ist, erscheint eine entsprechende Erklärung kaum als plausibel.
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@PE
Der Gedanke des Naturrechts setzt sogar notwendig vorraus, dass es eine universelle Ordnung und somit nur einen Gott gibt
Es gibt weder ein Naturrecht oder einen Gott, sondern physikalische und biologische Wahrheiten und den psychologischen Drang, die ungeklärten Lücken mit Fantasien zu füllen. Der Untergang der Kirche ist proportional zur Anzahl der geschlossenen Wissenslücken, da sie irgendwann mit dem Erklären nicht mehr hinterherkam. Die verbliebenen Ratten flüchten sich nun entweder in volle Ablehnung (“das Handy ist Häresie!”), Doppeldeutungen (“Ok, das Flugzeug kann ich nicht seelig reden, also nenne ich es Intelligent Design”), Politisierung (“Hey wusstet ihr, dass wird nun auch ganz doll gegen Erderwärmung sind?”) oder Nischen (“Gott wollte X, also kannst Du weiterhin glauben! Hier ein Zitat, das passt!” (setze für X beliebige Ideologie ein)).
[…] Bei der Frage nach der praktischen Umsetzung der hier in den vergangenen Jahren behandelten Themen stellten sich diese Fragen aber schliesslich doch auf eine Weise, welche eine Ausblendung dieser Frage nicht mehr zuliess. Die Auseinandersetzung mit krisenfesten Organisationen ergab nämlich, dass ausnahmslos alle Organisationen und Strukturen scheiterten, die diese Frage nicht behandelten. Wo sie ausgeblendet wurde, lösten sich die betreffenden Strukturen meist an dem Punkt auf, an dem es für die Mitglieder die rationalere Option war, aufgrund des wachsenden äußeren Drucks und der daraus entstehenden Nachteile nicht länger an ihnen festzuhalten.
a) “Diese” gescheiterten Organisationen haben weder Ethos noch andere normativen Bindeglieder aufgewiesen und bestanden aus reinen Opportunisten.
b) Sie vernachlässigen bequemerweise, dass auch hunderte Religionsgemeinschaften aller Art untergegangen sind, die dem Christentum z.T. im spirituellen Sinne weit überlegen waren.
c) Das Christentum wäre in diesem Sinne auch längst verschwunden, wenn nicht die aggressive Missionierung stattgefunden hätte und durch kulturell konsistene Völker institutionalisiert, politisiert und somit über seine Verfallszeit hinaus getragen worden wäre.
Nachdem man sich zu Überlebenszwecken dem Nationalsozialismus angebiedert und halbwegst über die 60er gerettet hat, ist seit mehr als 20 Jahren die institutionelle Halbwärtszeit längst überschritten und die große Rattenflucht beginnt, wie ich Sie eingangs aufgezählt habe.
@Aristoteles
Ohne Gott, ohne Glaube an Gott, ohne Kult um eine Verbindung zwischen Oben und Unten, um Kreuz und/oder Ygdrasill werden wir komplett untergehen und auch nicht wieder auferstehen.
Richtig müsste es heißen:
Ohne Gott, ohne Glaube an Gott, ohne Kult um eine Verbindung zwischen Oben und Unten, um Kreuz und/oder Ygdrasill werden Menschen wie ich komplett untergehen und auch nicht wieder auferstehen. Dennoch dreht sich die Welt weiter und Menschen, die keine Zauberponnies brauchen, um ihre spirituelle, emotionale und intellektuelle Leere zu füllen, werden an meiner statt den Planeten bewandern.
Dann stimme ich Ihnen zu. Die Frage ist jedoch, für wen Sie gelebt haben. Für sich selbst, um großes zu erreichen oder für Gott, der mit einem secret super Plan Ihre Existenz begründet hat? Vielleicht beides? Wohl kaum. Mit Gott ordnen Sie sich Ihrem eigenen Potential unter, denn wo Deus Vult, Aristoteles nur lullt! :)
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@G. Wheat
Die Deutung von Religion als bloßen „psychologischen Drang, die ungeklärten Lücken mit Fantasien zu füllen“, halte ich für einen weiteren rhetorischen Strohmann aus dem säkularen Spektrum, mit dem das Phänomen der Religion auf eine rhetorisch leichter zu bewältigende Ebene gebracht werden soll. Mit den relevanten Diskursen in den belastbaren Teilen des Christentums hat dies ebensowenig etwas zu tun wie die Toastbrote, die Sie erwähnten.
Interessanterweise nimmt übrigens die Distanz zwischen traditionellen, religiös-geprägten Weltanschauungen und naturwissenschaftlichen Beiträgen zur Diskussion über die Natur des Menschen mit zunehmend Erkenntnisstand der Naturwissenschaften eher ab als zu. Es sind z.B. gerade nicht die Naturwissenschaften, von denen z.B. Ideologien wie Gender Mainstreaming propagiert werden.
Was aber aus meiner Sicht entscheidend ist: Mit naturwissenschaftlichen Ansätzen kann man bei aller ihrer Leistungsfähigkeit zur Erklärung bestimmter Phänomene und daraus folgenden technischen Anwendungen offenbar keine belastbare Weltanschauungen schaffen. Der offenbar ausnahmslose Tendenz zum Untergang materialistischer Gesellschaften ist so stark ausgeprägt, dass es wirklich auffällig ist. Kennen Sie Beispiele für eine moderne Gesellschaft, d.h. eine auf materialistischer Weltanschauung beruhende Gesellschaft, bei der es wahrscheinlich ist, dass sie die nächsten 100 Jahre auch nur demographisch überlebt? Es scheint nicht eine einzige solche Gesellschaft zu geben, und je moderner bzw. materialistischer eine Gesellschaft wird, desto schlechter wird auch ihre Prognose. Wie man u.a. an Japan sieht, ist dies sogar kulturell übergreifend gültig.
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@Projekt Ernstfall
“Die materialistische Perspektive sieht im universellen oder zumindest über Kulturen und Epochen immer wieder auch unabhängig zu beobachteten Aufkommen bestimmter Symbole einen Beleg dafür, dass es sich um soziale Konstrukte handele.”
Ich hoffe, dass aus meinen bisherigen Kommentaren deutlich genug hervorgegangen ist, dass ich micht nicht zu solchen sozialen Konstrukteuren zähle.
Mutter-Vater-Kind, Vater-Geist-Sohn, Gott-Mensch-Tier, Seele-Fleisch, Wasser-Feuer, Himmel-Erde, Ich-Du, Zeit-Ewigkeit — das sind Konstanten und Koordinaten, die universell sind und die den Menschen über sich hinaus heben, transzendieren. Ob gewisse Symbole dafür in den jeweiligen Kulturen unabhängig voneinander entstanden sind oder nicht, finde ich zunächst erstmal nicht so wichtig. (Der Einfluss der ägpytischen und babylonischen Religion auf die biblische ist in vielen Fällen evident.) Gleichwohl ist es für den Erhalt der jeweiligen Kulturen und Völker von erheblicher Bedeutung, dass sie eigene Symbole, Bilder, Namen besitzen oder in Anspruch nehmen, um sich nicht aufzugeben bzw. vom Universalismus oder einer stärkeren Kultur auflösen zu lassen. (Der Materialismus ist hier, wie richtig festgestellt wird, ohnehin so etwas wie ein Schnelltod.)
Wenn ich von “wir” rede, meine ich ‘wir Deutsche’. Auch das sollte aus dem Vorherigen eigentlich klar geworden sein. Landsleute, die keine Bilder zeichnen oder Namen nennen können, die zur eigenen Kultur und Religion gehören, können zwar (vielleicht) eigene Kinder zeugen, schaufeln jedoch den kommenden Generationen als Trägern der Stammeskultur und Volksreligion schon im Vorhinein das Grab. Die Kinder dieser Kinder ehren dann Allah, Micky Maus, Hertha BSC, Heroin oder weiß der Geier was, aber nicht mehr das Volk, dem ihre Vorfahren angehörten.
Ich dachte bislang, dass es dem Projekt Ernstfall um das Überleben des eigenen Volkes geht. Wer keine konstruktiven Vorschläge dafür leistet, wie das eigene Volk überleben kann, ist selbst ein Todesengel oder ein Advocatus Diaboli, der die anderen zu Erkenntnissen kitzeln will, wenn ihm schon nicht selbst etwas Besseres einfällt.
Dem Betreiber von ‘Projekt Ernstfall’ merkt man jedenfalls dieses Ringen um Bilder und Namen an, das finde ich gut. Aber was meinen Sie mit:
“Das Vorhandensein solcher Urbilder ist empirisch sehr gut belegt, und wo kein erkennbarer Fortpflanzungsvorteil mit ihnen verbunden ist, erscheint eine entsprechende Erklärung kaum als plausibel.”
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@Aristoteles
Was das “Überleben des eigenen Volkes” angeht: Das war hier früher unter dem Begriff “ethnokulturelle Kontinuität” tatsächlich das Ziel der Gedankenführung. Es ging darum die Dinge zu identifizieren, die zu diesem Ziel beitragen können, und daraus einen praktischen Ansatz zu formen und umzusetzen.
Warum sich das als Sackgasse herausgestellt hat, soll noch ausführlicher erklärt werden, wobei vieles von dem, was damals behandelt wurde, in anderem Kontext noch wertvoll sein wird und die Erfahrungen insgesamt nachträglich betrachtet wertvoll waren.
Vorab gesagt: Man kann mit dem gewählten Ansatz größeren Gruppen von Menschen helfen schwierige Zeiten zu überstehen, aber das würde angesichts der Dimensionen der vorliegenden Herausforderungen das kaum Vermeidliche nur etwas verzögern.
Es gibt Ansätze, die diesen Herauforderungen gewachsen wären, die aber voraussetzen, dass das Überleben der eigenen Gruppe in ihnen nur ein nachgeordnetes Ziel ist. Das klingt paradox und muss noch erläutert werden, aber wenn man sich soziale Phänomene anschaut, die über lange Zeiträume vital blieben, dann gingen alle von ihnen in ihrem Ansatz viel tiefer und blieben nicht an der praktischen Oberfläche.
Wie gesagt, das muss hier vorerst abstrakt bleiben, wird aber nach und nach erklärt werden. Es geht ungefähr in die Richtung Guenons, der vorhergesehen hat als wie schwach sich moderne Antworten der Rechten auf die Krisen der Moderne herausstellen würden und gleichzeitig auch die Unmöglichkeit der Schaffung einer neuen Tradition erkannte, aber m.E. wie viele andere Traditionalisten übersah oder unterschätzte, was an ursprünglicher deutscher und europäischer Tradition noch in der einzigen noch lebenden europäischen Institution vorhanden ist, die ihre Wurzeln bis in die Antike zurückverfolgen kann.
In diesem Zusammenhang zur Erklärung des Satzes bzgl. der Urbilder: Ich beziehe mich hier u.a. auf Erkenntnisse der analytischen Psychologie, die sich empirisch mit Phänomenen der menschlichen Seele auseinandersetzte, von denen einige weder durch kulturelle Einflüsse noch in ihrer Entstehung durch daraus resultierende Fortpflanzungsvorteile erklärt werden können. Anders gesagt: Es gibt in der Natur des Menschen offenbar einiges, was über den Menschen hinausreicht, und das sich zwar kulturell unterschiedlich, aber doch mit einigen auffälligen Gemeinsamkeiten über alle Epochen gezeigt hat.
In der empirisch beobachtbaren Natur des Menschen liegt somit ein Hinweis auf die Existenz von Dingen verborgen, die über den Menschen hinausreichen. Das muss man m.E. notwendigerweise berücksichtigen, wenn es um den Aufbau eines sehr langfristig ausgelegten, fundamentalste Fragen behandelndes Vorhabens geht. Angesichts dieser Natur des Menschen erscheint mir das Menschenbild der Moderne, dem letztlich auch viele Konzepte der Rechten folgen, als unvollständig und bis zur Untauglichkeit reduziert.
Das bedeutet außerdem, dass eine universelle Religion, die kulturellen Unterschieden und Eigenheiten gleichzeitig positiv gegenübersteht, der Natur des Menschen am besten entspricht. Es gibt allerdings nur eine einzige solche Religion, was die rationale Entscheidung für eine bestimmte Religion deutlich erleichtern sollte.
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@PE
Die Deutung von Religion als bloßen „psychologischen Drang, die ungeklärten Lücken mit Fantasien zu füllen“, halte ich für einen weiteren rhetorischen Strohmann aus dem säkularen Spektrum, mit dem das Phänomen der Religion auf eine rhetorisch leichter zu bewältigende Ebene gebracht werden soll.
Wenn es aber nichts zum Widerlegen gibt, weil es nicht existiert, dann kann ich auch keinen Strohmann benützen. Auf dieser Ebene argumentiere ich nie, da die Beweisführung und der Diskurs um eine spirituelle Entität, die sich nachweisbar aus psychologischen Spielereien speist, mit der wissenschaftlichen Auseinandersetzung über eine erdachte und allmächtige Goldkugel vergleichbar ist, die über meinem Kopf schwebt.
Mit den relevanten Diskursen in den belastbaren Teilen des Christentums hat dies ebensowenig etwas zu tun wie die Toastbrote, die Sie erwähnten.
Das ist Rabulistik vom Schlage “Wieso kritisieren sie denn das Wirtschaftssystem? Tragen sie doch mal was dazu bei!”. Ich bitte Sie, für wen halten Sie mich eigentlich?
Interessanterweise nimmt übrigens die Distanz zwischen traditionellen, religiös-geprägten Weltanschauungen und naturwissenschaftlichen Beiträgen zur Diskussion über die Natur des Menschen mit zunehmend Erkenntnisstand der Naturwissenschaften eher ab als zu. Es sind z.B. gerade nicht die Naturwissenschaften, von denen z.B. Ideologien wie Gender Mainstreaming propagiert werden.
Das ist höchstens der Fall bei einem abendlichen Weingespräch mit einem Lehramtsstudenten der alten Schule, der noch aus Tradition Mathematik und Religion studiert hat. Selbstverständlich könnte man nun quotengenehm gewisse historische Größen der Philosophie auf den Tisch hauen, aber das wäre in der heutigen Zeit so passend wie ein Korsett zum Bewerbungsgespräch. Das ist so pathetisch wie die vermeintlichen Wissenschaftler, die ein gewisses Teilchen, der Journalie diesmal zuvorkommend, “Gottesteilchen” gennant haben und sonst auch keine Gelegenheit auslassen um Allem ein spirituelles Label aufzudrücken. Das ist das obere Ende vom Intellektuellen-Spektrum der Toast-Liturgie.
Was aber aus meiner Sicht entscheidend ist: Mit naturwissenschaftlichen Ansätzen kann man bei aller ihrer Leistungsfähigkeit zur Erklärung bestimmter Phänomene und daraus folgenden technischen Anwendungen offenbar keine belastbare Weltanschauungen schaffen. Der offenbar ausnahmslose Tendenz zum Untergang materialistischer Gesellschaften ist so stark ausgeprägt, dass es wirklich auffällig ist. Kennen Sie Beispiele für eine moderne Gesellschaft, d.h. eine auf materialistischer Weltanschauung beruhende Gesellschaft, bei der es wahrscheinlich ist, dass sie die nächsten 100 Jahre auch nur demographisch überlebt?
Selbstverständlich kenne ich ein Beispiel. Sie leben darin. Das westlich-kapitalistische System wird überleben. Ob das nun gut oder schlecht ist, ist für die Beantwortung Ihrer Frage unerheblich, denn die angelsächsische Indoktrinierung basiert auf ziemlich simplen, individualistischen, egoistischen sowie vereinfachten Wesenszügen, die es geschafft hat, den Großteil der zuvor christlich-konserativen Wertegemeinschaft in die politische Wertlosigkeit zu drängen. Alle halten zusammen, ohne gemeinsame Symbolik, ohne Liturgie, Absprachen – ist jedoch in den Grundzügen eine polytheistische Religion, in der Jesus durch bedingungslosen Glauben an Aktienmärkte und Genügsamkeit durch Selbstbefriedigung ersetzt wurde. Trotzalldem, stets bereit dem Nächsten ein Messer in den Rücken zu rammen. Ein Biologe nannte es deshalb “the silent religion”. Für gute Wissenschaftler, simple Psychologie. Für Andere, unerklärliche Aneinanderkettung von Phänomenen, die nur mit Excel studiert werden können oder gar Signal für die Ankunft des neun-gehörnten Biestes aus dem Ozean, falls man der emotionale Typ ist.
Aus diesem Grund, ist es aus meiner Sicht ein Armutszeugnis Ihrerseits, die Auswirkungen der angelsächsischen Indoktrination und Machtausweitung, abseits aller “natürlichen” Fehlentwicklungen, als direktes Resultat hochwissenschaftlicher Kultur zu vergleichen bzw. ihr deshalb eine Unfähigkeit zu unterstellen, Gesellschaften und Gemeinschaften zugleich Kontinuität zu verleihen. Das ist bekannter Opportunismus ihrer Glaubensbrüder: Man’s calamity, is God’s opportuniy.
Dabei empfand ich die Diskussion im Vorjahr hinsichtlich eines neutralen Ethos sehr vielversprechend und bin mir nicht so sicher, ob das Fernbleiben von geschätzten Kommentatoren wie Meyer nicht ihrer Spontanerleuchtung zu verdanken ist. Ehrlich gesagt, fühle ich mich hier mittlerweile wie im Forum Bibeltreuer Christen. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich mich jederzeit lieber über Waldgängers AfD-Revolutionsrhetorik echauffieren, als Kommentare wie diesen hier zu verfassen.
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@G. Wheat
Ein neutrales Ethos gibt es m.E. nicht. Die früheren Überlegungen wären auch nicht neutral gewesen, sondern hätten u.a. mit Biologie und Psychologie argumentiert. Die aktualisierten Pläne sind inhaltlich gar nicht so anders, beziehen sich aber auf vor dem Hintergrund naturwissenschaftlicher Erkenntnisse reflektierte traditionelle Botschaften und Konzepte.
Ich sehe aber ein, dass auf den ersten Blick schwer erkennbar sein mag, wie beides zusammenpasst, oder warum man Letzteres überhaupt braucht wenn man doch scheinbar “neutrale” naturwissenschaftliche, psychologische und andere Konzepte als Grundlage hat, auf die man sich stützen könnte. Hier kann ich nicht alle praktischen Gründe im Detail aufführen, warum das frühere Konzept in vielen Punkten überarbeitet wurde. Stellen Sie sich aber doch z.B. einmal vor, wie das frühere Konzept für Außenstehende ausgesehen hätte. Daraus folgte die Überlegung, in der Form an Konzepte anzuknüpfen, einen für viele weniger unangenehmen Beiklang gehabt hätten. Bei der Auseinandersetzung damit folgte dann die Entdeckung des Reichtums an authentischer Tradition, auf den hier künftig Bezug genommen werden wird.
Waldgänger hat hier schon Recht: Das muss alles für Menschen übersetzt werden, für die das nach den erwähnten Toastbroten klingt, aber ich hoffe, dass es mit der Zeit klarer werden wird.
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„Wenn es aber nichts zum Widerlegen gibt, weil es nicht existiert, dann kann ich auch keinen Strohmann benützen. Auf dieser Ebene argumentiere ich nie, da die Beweisführung und der Diskurs um eine spirituelle Entität, die sich nachweisbar aus psychologischen Spielereien speist, mit der wissenschaftlichen Auseinandersetzung über eine erdachte und allmächtige Goldkugel vergleichbar ist, die über meinem Kopf schwebt.“
Eine solche, im Grunde negative, dekonstruktivistische Haltung ist zwar modern, aber wohl kaum geeignet, eine bestandsfähige Tradition zu begründen.
In der Tat war in der traditionellen Welt die Existenz Gottes und Götter, transzendenter, jenseitiger Sphären unhinterfragte und unhinterfragbare Gewißheit, auf deren Grundlage sich alles weitere ergab. Auch eine nicht wie heute zwanghaft organisierte, sondern organische und hierarchische Gesellschaftsordnung ergab sich auf dieser Grundlage als Spiegelbild natürlicher und göttlicher Gesetze.
Ich weise hierzu auf Julius Evolas Werk, insbesondere „Revolte gegen die moderne Welt“ hin, in dem er den Gegensatz der Tradition zu unserer heutigen Welt, die in jeder Hinsicht die Verkehrung aller Bestand verheißenden Werte ist, meines Erachtens anschaulich herausarbeitet.
Eine solche Auffassung liegt auch bestimmten Passagen in Jüngers „Waldgang“ zugrunde, wenn er etwa für erfolgreichen Widerstand auf die notwendige Angstüberwindung hinweist, vor allem der Todesangst als Urangst, von der sich alle geringeren Ängste ableiten. Dies ist nicht machbar, wenn man nicht völlig gewiß ist, daß der Tod nur ein Übergang ist, es ein Leben danach gibt und eine umfassende Schöpfungsordnung, in die man eingebettet ist. Ein Leben, das sich für das einzige wähnt, und sich daher über Gebühr in den Mittelpunkt stellt, unfähig sich für etwas Übergeordnetes hinzugeben, weil danach nichts wäre, ist letztlich wertlos. Auch eine lediglich biologische Fundierung in Hinsicht auf den Fortbestand einer Herde ist schal, uninspiriert und verweht nach vergleichsweise kurzer Zeit, weil es kein „Wozu“ gibt. Wenn das Leben nicht Gottesdienst mit priesterlichem Brückenbau zu transzendenten Sphären ist, hat es keinen Bestand, gleich durch welche Tätigkeit man individuell meint, Gott zu dienen. Einzelne, extrem energetische und handlungsorientierte Kriegernaturen mögen ohne gelebte Religion in ihrem Leben auskommen. Ein Ganzes, in dem der Krieger als ein Teil einen notwendigen Platz hat, läßt sich ohne diese Klammer jedoch nicht erhalten.
Das Problematische, was am Diskurs hier wieder offenbar wird: Die eingangs erwähnte unhinterfragbare Gewißheit läßt sich nicht erzeugen, bzw. mit argumentativen Mitteln hervorrufen. Man ist damit geboren, vielleicht weil in der Familie noch Reste der Tradition vorhanden sind, oder man hat es nicht mehr in sich. Die moderne Welt zerfällt in eine überwiegende Masse, die unrettbar verloren ist, und eine kleine, zukunftsfähige Minderheit. Daher wird „Projekt Ernstfall“, wenn es Erfolg hat, bestenfalls zur Bildung kultureller Kapseln führen, die nach den kommenden Stürmen als Sporen zur Entstehung neuer Kulturen beitragen.
„Selbstverständlich kenne ich ein Beispiel. Sie leben darin. Das westlich-kapitalistische System wird überleben. Ob das nun gut oder schlecht ist, ist für die Beantwortung Ihrer Frage unerheblich, denn die angelsächsische Indoktrinierung basiert auf ziemlich simplen, individualistischen, egoistischen sowie vereinfachten Wesenszügen, die es geschafft hat, den Großteil der zuvor christlich-konserativen Wertegemeinschaft in die politische Wertlosigkeit zu drängen. Alle halten zusammen, ohne gemeinsame Symbolik, ohne Liturgie, Absprachen – ist jedoch in den Grundzügen eine polytheistische Religion, in der Jesus durch bedingungslosen Glauben an Aktienmärkte und Genügsamkeit durch Selbstbefriedigung ersetzt wurde.“
Hieran zeigt sich der verquere Blick auf die Dinge. Die traditionelle Welt hatte global für Jahrtausende Bestand, bis zum Anbruch des Globalismus, der die Tradition fast überall zugrunde richtete. Wo immer historisch der Materialismus ausbrach, begann ein mehrhundertjähriger Abstieg, der gegen die historische Zeiträume übersteigende natürliche Weltordnung als kurzes Intermezzo wirkt. Stets wurden solche Gesellschaften von Völkern, die noch starke Traditionen hatten, überrannt.
Tatsächlich gibt es in der sogenannten kapitalistischen Gesellschaft überhaupt keinen Zusammenhang. Er wurde durch Äußerlichkeiten ersetzt, in denen sich die atomisierten Individuen bewegen. Diese Äußerlichkeiten, beruhend auf Geld und Technik, können nur so lange bestehen, wie menschliche (und zwar mentale!) und natürliche Ressourcen vorhanden sind, diese sterile Maschinerie am Laufen zu halten. Es ist ein beständiges Nagen an der Substanz, das irgendwann ein Ende haben muß. Die traditionelle Welt hingegen war subsistent und erneuerte sich aus sich selbst hinaus. Man darf den Blick jedoch nicht auf einzelne Hochkulturen beschränken, die alle untergegangen sind, sondern muß den ganzen Ablauf betrachten. In diesem bildeten sich stets den selben Gesetzmäßigkeiten folgende Lebensläufe heraus. Diese Gesetzmäßigkeiten sind „ewig“, stabil und gelten auch heute und bereiten dem Abendland gerade sein notwendiges Ende. Das westlich-kapitalistische (besser global-kapitalistische) System wird mitnichten Bestand haben. Mit ihm verschwinden alle heutigen Staaten, die Millionenbevölkerungen und wahrscheinlich ein Großteil der Erinnerung an das, was früher war.
Falls es überhaupt einen Weg gibt, die Tradition zu reaktivieren, ist die Anknüpfung an das einstmals Bestehende, das für uns funktioniert hat, wohl der einzig gangbare. Bei uns ist das nun mal das Christentum. Allerdings muß man sukzessive Schicht für Schicht Entstellungen, Entartungen, Umdeutungen abziehen, um bis zum spirituellen Kern vorzudringen. Die Form kann weder die abgelebte katholische oder evangelische sein, wahrscheinlich auch nicht die urchristliche, weil diese einer anderen Kultur entstammt. Die Frage sollte lauten: Was macht das germanische Christentum im Kern aus? Ein Beispiel: Spengler weist auf das faustische Ursakrament der Buße hin, das für das abendländische Christentum einmalig ist, und in dieser Ausprägung in keiner anderen Kultur vorkommt. Es setzt ein souveränes Ich voraus, das sich im krassen Gegensatz zu Gott und der Welt empfindet, und damit aktiv Verantwortung für sein Handeln im Lichte der Gesetze Gottes übernimmt. Das entspricht unserem (deutschen) Lebensgefühl, dem der Dienst das Höchste ist, also die freiwillige Einordnung in etwas Größeres mit Pflichten, Rechten, Verantwortung und Geradestehen für die positiven und negativen Konsequenzen der eigenen Entscheidungen.
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Die von @ G. Wheat vorgebrachte Kritik ist die grundsätzliche Kritik eines Atheisten am religiösen Glauben an sich. Es ist weiterhin eine durchaus nachvollziehbare und richtige Kritik am aktuellen Zustand der christlichen Kirchen.
Die eigentliche Kernfrage – nämlich wie belastbar, stabil, zukunftsfähig und erfolgreich atheistische Gesellschaften überhaupt (!) sein können – wird indessen nur gestreift.
Die von @ Aristoteles in den Raum gestellte Behauptung …
„Ohne Gott, ohne Glauben an Gott, ohne Kult um eine Verbindung zwischen Oben und Unten, um Kreuz und/oder Ygdrasill werden wir komplett untergehen und auch nicht wieder auferstehen.“
… bleibt daher von dieser Kritik m. E. unberührt und wird keineswegs widerlegt.
Der von @ G. Wheat genannte Ausweg besteht in (atheistischen) Zusammenschlüssen, die aber genug eigenes „Ethos“ und ausreichend „normative Bindeglieder“ aufweisen, um den Zusammenhalt und so etwas wie Idealismus zu gewährleisten.
Wenn dem so ist, dann müsste es aus der Geschichte belastbare Beispiele und Vorbilder für derartige Zusammenschlüsse geben.
Es müsste sich zudem um ein Ethos handeln, das nicht nur eine kleine intellektuelle oder verschworene Elite verbindet, sondern das massentauglich ist! Von daher fordere ich auf, solche Beispiele zu nennen!
Ich persönlich bezweifle, dass es ein Ethos geben kann, das es hier mit religiösen Mustern aufnehmen kann. Man mag das bedauern, aber das spielt keine Rolle. Die Ausblendung des Faktors “Jenseits” verhindert vieles.
Das eigentliche Problem liegt doch darin, dass die christliche Erzählung, dass das christliche Glaubensgebäude modernen Menschen intellektuell nicht mehr zumutbar ist. Wenn man indessen der Meinung ist – oder es erfahren hat – dass es doch ein irgendwie geartetes höheres Mehr gibt, dann stellt sich die Aufgabe der Erneuerung, der Übersetzung uralter Gedanken in eine zeitgemäße Sprache.
Insofern stimme ich @ Aristoteles zu:
„Wer bei allem, was geschehen ist und um uns herum geschieht, nicht sieht, dass wir wieder von Grund auf anfangen müssen, und zwar geistig, kann ja weiter im Keller Überlebenskekse horten. Das ist vielleicht auch nicht verkehrt, reicht aber nicht.
Wir brauchen ganz neue Priester, Liturgien, Zeremonien, eine Profession und eine Predigt, die zwischen Erde und Himmel über Familie und Volk wieder eine ewige Linie bildet.“
Allerdings eine sehr schwere Aufgabe! Auch eine Aufgabe, zu der die christlichen Kirchen – wenn überhaupt – erst dann in der Lage sein werden, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals steht!
Außerdem steht nach wie vor die Frage im Raum, inwieweit der Niedergang der christlichen Kirchen und des Christentums (wegen seiner noch zunehmenden Antiquiertheit der gedanklichen Bilder und Begriffe) doch für den Niedergang Europas mitverantwortlich ist.
(Natürlich spielen noch weit mehr Ursachen eine Rolle.)
Die Antwort hierauf hat aber überhaupt nichts damit zu tun, ob man selber gottgläubig ist oder nicht.
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@Waldgänger
Sie sprechen einige der vielen offenen Fragen an, an denen zur Zeit noch gearbeitet wird, insbesondere:
– Vermittelbarkeit christlicher Bezüge gegenüber modernen Menschen bzw. “Übersetzung uralter Gedanken in eine zeitgemäße Sprache”
– Einbeziehung derjenigen, die zwar das Anliegen teilen, nicht aber die religiösen Bezüge
– Umgang mit der Tatsache, dass große Teile der Kirchen aktiv am Niedergang mitwirken und sich zunehmend auch gegen diejenigen wenden, die innerhalb der Kirchen diese Mitwirkung verweigern.
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@PE
Selbstverständlich ist kein Ethos neutral. Dies bedeutet jedoch nicht, dass man aus Angst vor der Nazikeule “normale Traditionen” spirituell bepinseln muss, um noch zusätzlich die Kategorie der inneren Leere abzudecken, falls diese jemand empfindet. Wie bereits mehrfach erwähnt, kommt die Nazikeule ohnehin, ob Sie sich nun als päpstlicher Verein geben oder der Landwirtschaftsbund höchstpersönlich. Zweitens, wirkt dieser Überbau nicht Zeitgerecht und schließt gleichzeitig sehr viele Menschen aus. Mit Letzterem habe ich kein Problem, da es Ihr Unterfangen ist. Womit ich jedoch ein Problem habe, sind die Ihre universalistischen Aussagen. Kleiner aber feiner Unterschied. Darüberhinaus müssen Sie mir nichts erklären, denn obgleich Sie mir eine antike byzantische Schrift vorlegen oder historische Ereignisse auslegen – für Menschen wie mich gehört das in den Toaster bzw. im günstigsten Fall in die anthroplogogische Erforschung historischer Sinneshermeneutik.
Demnach ist es für mich kein New Age Hippie Dippie, weil ich es vermeintlich nicht verstanden habe worauf Sie mit Ihrem Ansatz hinaus wollen, sondern gerade weil ich es verstehe ;)
@Taurec
Eine solche, im Grunde negative, dekonstruktivistische Haltung ist zwar modern, aber wohl kaum geeignet, eine bestandsfähige Tradition zu begründen.
So modern ist diese Haltung nicht, wo man doch in der Vergangenheit von lupenreinen Christen dafür oftmals gehängt, verbrannt oder exkommuniziert wurde. Jetzt mal eben für einen Absatz zum Neo-Luther mutieren lässt Sie auch nicht geistreicher aussehen.
Auch eine nicht wie heute zwanghaft organisierte, sondern organische und hierarchische Gesellschaftsordnung ergab sich auf dieser Grundlage als Spiegelbild natürlicher und göttlicher Gesetze.
Und genau das war der römischen Inquisition ein stetes Dorn im Auge, denn die Urvölker haben sich relativ unbeeindruckt von der Wüstenstroy gezeigt. Nachdem mit Schwert und Reichtum und weiteren Lockmitteln nachgeolfen wurde, sind wir alle spontanerleuchtet worden ;)
Das Problematische, was am Diskurs hier wieder offenbar wird: Die eingangs erwähnte unhinterfragbare Gewißheit läßt sich nicht erzeugen, bzw. mit argumentativen Mitteln hervorrufen. Man ist damit geboren, vielleicht weil in der Familie noch Reste der Tradition vorhanden sind, oder man hat es nicht mehr in sich.
Na, na, na, jetzt nicht den Hobby-Anthropologen raushängen lassen. Menschen empfinden prinzipiell ein Deutungsbedürfnis, jedoch zeigen wissenschaftliche Studien, dass abhängig vom z.B. IQ (und weiteren Metriken) die Art und Weise, wie dieses Bedürfnis gestillt wird, sich deutlich unterscheidet. Sie begehen wie PE den Fehler und schließen von sich auf andere, um es salopp auszudrücken, wonach ich mich als Atheist hier garnicht hätte einfinden dürfen!
Hieran zeigt sich der verquere Blick auf die Dinge. Die traditionelle Welt hatte global für Jahrtausende Bestand, bis zum Anbruch des Globalismus, der die Tradition fast überall zugrunde richtete. Wo immer historisch der Materialismus ausbrach, begann ein mehrhundertjähriger Abstieg, der gegen die historische Zeiträume übersteigende natürliche Weltordnung als kurzes Intermezzo wirkt. Stets wurden solche Gesellschaften von Völkern, die noch starke Traditionen hatten, überrannt.
Verquerter Blick oder Realismusverweigerung Ihrerseits? Schon allein die Aussage “Die traditionelle Welt hatte global für Jahrtausende Bestand, bis zum Anbruch des Globalismus, der die Tradition fast überall zugrunde richtete […]” wäre einen achtkantigen Rauswurf aus dem Hörsaal wert. Alle historischen Gesellschaften unterlagen organischen Fusionen, Zerfallsprozessen, Annektierungen und Neugründungen. Globalisierung ist nur eine radikalere Ausweitung von seit Anbeginn der Menschheit existierenden Prozessen, ermöglicht durch Kommunikation, örtliche Transition und Zentralisierung. Es ist kein Novum. Außerdem verwechseln Sie Materialismus, der stets allgegenwärtig war, ist und seind wird, mit Dekadenz. Sitzen, 6!
Ich empfinde es mühsseelig, auf Ihre undifferenzierte Rhetorik einzugehen. Materialismus und Satan links, Gott und 72 Jungfrauen Rechts. Alles andere ist Blasphemie und geht unter! (Sagte Klaus zum 30. Mal, wie schon die Millionen von Propheten vor ihm).
Ein Beispiel: Spengler weist auf das faustische Ursakrament der Buße hin, das für das abendländische Christentum einmalig ist, und in dieser Ausprägung in keiner anderen Kultur vorkommt. Es setzt ein souveränes Ich voraus, das sich im krassen Gegensatz zu Gott und der Welt empfindet, und damit aktiv Verantwortung für sein Handeln im Lichte der Gesetze Gottes übernimmt. Das entspricht unserem (deutschen) Lebensgefühl, dem der Dienst das Höchste ist, also die freiwillige Einordnung in etwas Größeres mit Pflichten, Rechten, Verantwortung und Geradestehen für die positiven und negativen Konsequenzen der eigenen Entscheidungen.
Sie werfen hier die im Christentum ansässige bedingungslose Unterwerfung mit der Obrigkeit gegenüber einem spürbaren Sinn über einen Haufen. Das Eine ist unhinterfragbar, das Andere kann erklärt, geleehrt und mit Logik untermauert werden. Letzteres ist Zeitlos, ersteres hängt von der durchnittlichen Intelligenz einer Gesellschaft ab. Steigt diese, nimmt gleichzeitig das Moment dieser eingang unhinterfragbaren Unterwerfung ab.
Heute ist das nicht anders. Wie ein Ökonom zu sagen pflegte: würden auch nur 30% der Gesellschaft verstehen, wie unser Wirtschaftssystem funktioniert, gäbe es öffentliche Hinrichtungen.
Im Kampf gegen die Verfallserscheinungen, prozeduale (und gewollte) Volksverdummung und degenerative Ablenkungen, sind Wissen und Aufklärung die einzige Chance, um ein neuzeitliches Sodom & Gomorrah zu verhindern. Dazu gehört für mich auch das Aufhalten jeder Form von Religion, die sich korrosiv auf Wissen und Fortschritt auswirkt.
Das sind die Fronten.
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1. Wissen und Fortschritt?
– Die Paschtunen gebären Kinder, die Amerikaner Apache-Hubschrauber.
– Wer das gewinnt, dürfte klar sein. Degeneration und Rückschritt sollte man das nennen.
2. Ist die Pille nun Fortschritt oder Rückschritt?
3. Die Dekonstruktion von Traditionen ist gezielt, mit geplanter oder intuitiver Absicht. Die Angriffsrichtung kann man seit Jahrhunderten ausmachen und sehr präzise nach ’45. Die Frankfurter Institutler sprechen ja offen von deren Zielsetzungen und Feindschaften. Und die Angreifer sind nicht blöd: Sie wollen das Knochenmark treffen. Und sie formulieren das Knochenmark. Zumindest aus deren Sicht ist es also ein Primärziel, die gewachsenen kulturellen Instiutionen anzugreifen. Das alleine läßt mich annehmen, daß dieses auch primär und sogar mir Schwerpunkt zu verteidigen ist. Und zwar nicht bloß defensiv. Und:Nicht bloß in der geistigen Auseinandersetzung. Es handelt sich um einen Kampf um Leben und Tod. Und so ist er auch zu führen.
4. Wissen und Aufklärung für die, die damit konstruktiv umgehen können. Wer es nicht kann benötigt Lenkung, Führung, Grenzen, Formen, Vorgaben, Propaganda.
Da letztere die Mehrheit darstellt, ist von den ersteren als Mindestmaß zu erwarten, daß sie die eben genannten Institutionen nicht abschaffen, sondern verbessern, daran teilnehmen und diese fördern. Wer an diesem Minimum nicht mitwirken kann, ist überhaupt nicht den ersteren zugehörig. Er ist es, der dieser Führung in scharfer Form sogar bedarf.
Es erscheint mir eher als ein Zeichen dafür, daß man gar nicht so aufgeklärt ist, daß man diese Institutionen angreift und schleift, weil die eigene Intelligenz und Kraft zum Dekonstruieren reicht, aber nicht zum konstruieren.
5. Dekonstruieren ist Kinderkram. Kann jeder halbwegs vernünftige.
Bei einem Erdbeben suche ich mir entweder ein Gebäude, das schon zehn überstanden hat, oder ein hochmodernes, daß mit diesem Ziel gebaut wurde. Aber das steht in keinem Ausschließungsverhältnis, sondern es handelt sich um eine Ergänzung.
6. Kinder bekommen ist primär. Tiger-Hubschrauber sekundär.
Das erscheint mir offensichtlich. Aber auch das steht eben in keinem Ausschließungsverhältnis. Darf es nicht. Aber wenn, dann hätte man sich – ganz aufgeklärt – für die Kinder und gegen den Tiger zu entscheiden.
7. In der Kirche, an der ich am letzten Wochenende war, war die durchschnittliche Nachwuchszahl pro Frau drei bis vier. Die Tätowierungsschlampen gegenüber im Videoladen?
Die studierten (aufgeklärten?) Vierzigjährigen im Großstadtcafé? Null bis eins.
8. Ich wende mich nicht gegen Aufklärung, sondern ich wende mich dagegen, daß der aufklärerische Geist jemals die Welt in ihrer Funktionalität vollständig erfassen könnte.
Praktisch – wie geistig – bleibt soviel Unbeantwortbares übrig, daß es geradezu lächerlich ist, zu meinen man könnte die Welt aus einem Geist der Aufklärung neu konstruieren.
9. Ganz deutlich wende ich mich gegen die Disziplnlosigkeit, seine Skepsis, die völlig bedeutungslos wäre, behielte sie recht, gegen den – auch konkreten – tradierten Glauben zu stellen, der, behielte er recht, nicht bedeutungslos wäre.
Und ob recht oder nicht: Der wahre Skeptiker kann nur sagen, daß er dazu keine Aussage treffen kann. Aber niemals kann er sagen, daß das Nichts zutrifft.
10. Skepsis und Dekonstruktion sind tatsächlich auch sinnvoll. Solange derjenige, der es ausübt, ausreichend Disziplin besitzt, sie konstruktiv zu verwenden. Sonst endet man wie Jan Hus. Und aus praktischer Sicht vielleicht sogar zurecht. Das hängt von Einzelfall ab.
11. Die Frage ist: Wie verwende ich Skepsis und Aufklärung, wie verwende ich Tradition und überkommenen Glauben. Für wen und zu welchem Zweck.
Es geht um Macht. Und mit dem Begriff der Aufklärung und des Fortschritts ist historisch die Verknüpfung mit dem Aufstiegt einer Oligarchie verbunden. Diese Oligarchie nutzt die aufklärerische Grundhaltung als ihren geistigen Überbau.
Alleine damit wende ich mich gegen die Absolutheit dieses Begriffes, ohne deswegen in sein absolutes Gegenteil fallen zu wollen. Beides sind wirksame Prinzipien. Beide benötigen eine Einhegung.
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Anders formuliert:
1. Wir können den aufklärerischen Ansatz nutzen, um den Wert und die Funktionalität von Glauben und Traditionen zu verstehen und zu nutzen.
Mit dem gleichen aufklärerischen Ansatz kann man auch die Gesellschaft versuchen zu zerstören oder zu beherrschen.
2. Mit Glauben und Religion geht es genauso: Man kann in die Fremdherrschaft schlittern, man mag ihr damit entrinnen.
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