Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat in einer aktuellen Denkschrift mit dem Titel „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ defacto die christliche Ehe für überholt erklärt und gleichzeitig angekündigt, sich „anderen Formen des Zusammenlebens stärker öffnen“ zu wollen.
Jenseits aller theologischen Rechtfertigungsversuche sagen die Verantwortlichen klar, worum es ihnen eigentlich geht. Die „bürgerliche Ehe“ sei ein Produkt romantischer Vorstellungen des 19. Jahrhunderts und mit „Vorurteilen und Abgrenzungen“ verbunden gewesen:
Das christlich-abendländische Eheverständnis und die Lehren von der Ehe als Institution haben bis in die jüngste Vergangenheit dazu gedient, patriarchale Vorrechte des Ehemannes und die ‚Gewalt’ des Vaters über die Kinder zu stützen“, sagte Ute Gerhard bei der Vorstellung der Denkschrift am Mittwoch.
Das Schlagwort der „Öffnung“ wird regelmäßig in Zusammenhängen verwendet, in denen die Auflösung und Bekämpfung von Institutionen und Weltanschauungen propagiert wird, die sich aus dem Wesen des Menschen heraus über Jahrhunderte und Jahrtausende organisch entwickelt und langfristig praktisch bewährt haben. Das moderne Wunschdenken, das dem gegenübergestellt wird, beruht auf Heilsversprechen, die einen utopischen Zustand der als Gleichheit definierten Gerechtigkeit für den Fall der Auflösung aller traditionellen Bindungen in Aussicht stellen. Dieses Wunschdenken stellt sich gerne als aufgeklärt dar, beruht aber auf der Ausblendung der komplexen Natur des Menschen und großer Teile der Wirklichkeit, insbesondere ihrer biologischen Aspekte.
Als aufgeklärt im Sinne von wirklichkeitsorientiert versucht man sich auch mit Aussagen wie der darzustellen, daß man die veränderte gesellschaftliche Realität zur Kenntnis nehmen müsse. Tatsächlich jedoch läuft man nur Verfallserscheinungen hinterher, die man selbst erst mit angestoßen hat. Indem man sich an den Niedergang bindet anstatt an die Tradition, ist man selbst jedoch zum Niedergang verurteilt.
In ihrem Verfallsprozeß hat sich die evangelische Kirche von einer die Gemeinschaft stützenden Institution zu einer destruktiven Einrichtung gewandelt, die sich bei fast jeder gesellschaftlichen Verfallserscheinung an die Spitze gesetzt hat und alles, was sie berührt, schwächt und entwertet. Daß Margot Käßmann jüngst im Rahmen der laufenden Lutherdekade Marin Luther mittels einiger aus dem Kontext gerissenen Zitaten defacto zum Wegbereiter des Nationalsozialismus erklärt hat, paßt ins Bild. Der Verfall der evangelischen Kirche ist leider bereits soweit fortgeschritten, daß sie das wenige von ihren eigenen geistigen Wurzeln immer weiter angreift und zersetzt, was der bereits vollzogene Traditionsbruch übriggelassen hatte. (ts)